Hitzlspergers Coming out

Dachte eigentlich, es sei genug gesagt. Zu Thomas Hitzlsperger Sexualität. Aber dann doch nicht.

Keiner sagt, in Kommentaren, Blogs, Twitter-Notizen, dass er das Coming out, als schlecht empfindet. Indes, es schleichen sich verräterische „Abers“ in die öffentlichen Bemerkungen.

Aber er tut es ja erst, nachdem er seine Karriere beendet hat. Soll heißen: Richtig mutig wär’s gewesen, wenn er sich während seiner Zeit als aktiver Spieler geöffnet hätte. Das jedoch wäre mannschafts-sportlichem Selbstmord gleichgekommen. Und das mit Sicherheit nicht nur wegen irgendwelcher unreifer Zuschauer in den Stadien. Wer einige Zeit in Mannschaftskabinen von Amateur- wie Profi-Sportlern verbracht hat, der weiß: Für bekennende Schwule ist da kein Platz. Schon die Annahme, dass da einer auf Männer steht, reicht aus, um ihn ins dauerhafte Abseits zu stellen.

Mutig sei’s, aber nicht heldenhaft, schreiben die ausgewogenen Kommentatoren der Sportpresse. Wieviel Sportjournalisten indes haben sich bislang zu ihrer Homosexualität bekannt? Den Mut hat noch keiner aufgebracht. Auch, weil die Gesellschaft eben noch nicht so weit ist. Klar, für Feuielletonisten ist’s kein Problem. Auch in der Politik reduzieren sich die Witze über schwule Minister oder Bürgermeister auf Geschmacklosigkeit. Die Aggressivität hat sich verloren. Aber homosexuelle Journalisten, die sich bekennend um Männersportarten kümmern, die haben verloren. Die werden rausgemobbt. Also schenkt euch die Scheinheiligkeit, Homosexualität habe sich im Sport selbstverständlicht.

Aber schreiben sie, warum muss Hitzlsperger nach dem Zeit-Interview noch eine Video-Botschaft abgeben. Will er sich nicht doch nur wichtig machen? Wir dürfen mit Fug und Recht davon ausgehen, dass „Die Zeit“ nicht zum Leib- und Magenblatt des ganz gewöhnlichen Sportfans wie Sportlers gehört. Wenn Hitzlsperger also mit seiner Authenzität den gemeinen Fan und Aktiven erreichen will, dann ist es absolut schlüssig, dem Interview die Botschaft folgen zu lassen. Weil von ihm nicht beeinflussbar aus dem Interview rausgezogen wird, was der übrigen Journaille grad in den betroffenen Kram passt. Die wenigsten Fans werden sich „Die Zeit“ holen, aber so ein Video, das ziehen sie sich gerne und mit geübter Hand rein.

Subtil gehen sie vor, die Berichterstatter. Ziehen beispielsweise ein Bild von Hitzlsperger aus dem Archiv. Eine Spielszene. Das Foto zeigt deutlich, dass sich im Schritt dort was abzeichnet, wo Mick Jagger weiland die Hasenpfote versteckte. Zufall?

Heimtückisch auch Kommentare wie: In seinen guten Zeiten war der Hitzlsperger gar kein so schlechter Spieler. Was, bittschön, hat die Qualität eines Spielers mit seiner sexuellen Orientierung zu tun? Nicht einmal Westerwelles Fähigkeiten als Außenminister haben sie in Verbindung mit seiner Homosexualität gebracht. Und es steht kaum irgendwo geschrieben, dass sich Hitzlsperger während der Fußball-WM in Südafrika um ein nachhaltiges Hilfsprojekt für Waisenkinder bemüht hat.

Gelegentlich wird angedeutet, in der öffentlichen Reaktion, dass sich lesbische Sportlerinnen wie Fußballerinnen oder Handballspielerinnen leichter tun. Hat vielleicht was mit den feuchten Männerträumen zu tun, in solchem Bund der Dritte zu sein. Oder damit, dass die Frauen in ihrem Selbstverständnis den Männern einfach voraus sind.

Und wer schließlich betonen muss, dass er als Hetero über den Homo Hitzlsperger veröffentlicht, der verrät damit schon, dass unsere Gesellschaft in der Gleichbehandlung noch lange nicht so weit ist, wie ihre öffentlichen oder veröffentlichenden Vertreter so gerne behaupten.

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