30 Milliarden – steuerfrei

Die Atom-Riesen in diesen unseren blühenden Landschaften wollen dem Bund – und damit uns armseligen Steuerzahlern – den Ab- oder Rückbau einschlägiger Atomkraftwerke an den Hals hängen. Natürlich, so finden RWE, E-on, EnBW und Vattenfall, ist’s keine Schlinge, mit der sie dich und mich würgen wollen. Im Gegenteil, was ganz was Gutes soll’s sein. So fein, dass die Idee gar in eine Stiftung münden möge.

30 Milliarden. 30 Milliarden haben die Atom-Riesen, die jetzt vordergründig so heftig voRWEggehen, bis zum Jahr 2012 zurückgestellt. Steuerfrei zurückgestellt. Und das geht so: Für den Fall, dass ein AKW mal zubetoniert (wegen der Strahlung) oder abgebaut werden muss, haben die Schmuddel-Stromer schon seit Jahrzehnten Kohle zurückgestellt. Also nicht das Mineral, sondern die Moneten. Und weil das quasi ein guter Zweck ist, wurden für diese durchaus stattlichen Sümmchen keine Steuern erhoben.

Weil du ans Gute im Wirtschafts- und Politik-Menschen glaubst, gehst du davon aus, dass das Geld unterm Bett angelegt und zweckgebunden gesperrt wird. Du darfst dir deinen Glauben abschminken. Die Energieunternehmen machen mit dem Geld, was sie wollen. Anlegen und Zinsen kassieren, zum Beispiel. Das würden vielleicht du und ich machen. Weil aber hinter jedem der Unternehmen zumindest ein tricky Kopf steckt, sieht’s in der bitteren Wirklichkeit anders aus. So soll’s vorgekommen sein, dass das Geld verwendet wurde, um alternative, im Vergleich eher zwergenhafte, Unternehmen aufzukaufen. Die dann in aller Stille liquidiert wurden. Nach dem gut-kapitalistischen Grundsatz, die Konkurrenz zu beseitigen, solange sie noch klein ist. Was sonst noch mit den 30 Milliarden gekauft, gelähmt, aufgeamselt wurde – wer weiss. Gerüchteweis war sogar zu hören, dass die steuerfreien Euros gar ins lukrative Rüstungsgeschäft gestückt werden. Ein Gerücht, wie gesagt. Eine sanfte Aufforderung des Bundesrechnungshofs, sich mal genauer unter der Rückstellungs-Matratze umzusehen, lehnten CDU/CSU und FDP als damalige Regierungsparteien ab. Sei doch alles im Lack.

Drehen wir die Uhr noch etwas weiter zurück, stellen die Zeiger auf die rot-grünen Anfangszeiten. Der damalige SPD-Finanzminister Oskar Lafontaine hatte einen Haushaltsentwurf vorgelegt, in dem der Geschichte mit der steuerfreien Rückstellung der Garaus bereitet werden sollte. Geschnallt hat’s damals Hermann Scheer und sich einen gegrinst. Weil Bundeskanzler Gerhard Schröder die Sache zunächst überlesen hatte. Um mal der Vermutung entgegenzutreten, es habe ihm an Fachwissen gemangelt. Bis zu dem Tag, an dem das Kabinett den Entwurf absegnen sollte. Da gingen beim guten Gerhard, der längst vom Stamokap zum Genossen der Bosse mutiert war, ein paar gutgemeinte Anrufe aus Chefetagen der Monopolunternehmen ein.

Das Ende vom Lied wirst du dir selbst singen können: Auf einen Hupf war Lafontaines Ansinnen vom Acker.

Übrigens: Das geschah an just jenem Tag, an dem Lafontaine abends den Bettel hinwarf.

Übrigens zum Zweiten: Für mich war Lafontaine schon immer ein Opportunist und wird es wohl auch für den Rest seiner politischen Tage bleiben. Dass er just scheiterte als er mal Charakter bewies, spricht Bände, was das Polit-Geschäft betrifft.

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1 Antwort zu 30 Milliarden – steuerfrei

  1. Olaf sagt:

    Tja, Veit…

    Als wir damals die Mauer umgeschmissen hatten und ich hernach bei der Treuhand einen niederen Job machen durfte, da stürmten die Manager mit Hut mit Krempe, mit wehendem Mantel und unglaublich viel Selbstbewusstsein durch die Kontore. Wie Kapitalismus geht wollten sie uns beibringen und wie man Geschäfte macht. Und natürlich wie man arbeitet. Das wussten wir damals ja noch nicht, blöd und faul wie wir Ossis ja bis dahin nunmal waren.

    Ich habe ihnen aufmerksam zugehört. Nicht jedem, aber ein paar waren dabei, von denen ich noch heute behaupte, dass sie wussten wovon sie sprachen. Ich denke da zum Beispiel an unseren Privatisierungsdirektor Herr A., den ich oft die Ehre hatte chauffieren zu dürfen. Ein alter Hase aus der Marktwirtschaft, der nur filterlose Ernte 23 geraucht hat und der mich und andere Menschen nie, nicht ein einziges Mal, von oben herab behandelt hat.

    “Herr Sander”, so hat er stets angefangen, “Herr Sander, auf seinem eigenen Mist zu kratzen ist gut für einen selbst und schafft Wohlstand für andere.”

    “Risiko ist nichts schlechtes, man muss es nur kalkulieren, im Hinterkopf behalten und notfalls den Anker werfen, falls es zu groß wird. Geschäfte, bei denen das Risiko auf andere abgewälzt werden, bei denen andere die Zeche bezahlen, sind miese Geschäfte. Diese Geschäfte gibt es leider viel zu oft und sie sind ein Krebsleiden unserer Wirtschaft”.

    Unternehmer heißen Unternehmer, weil sie etwas unternehmen, damit die Dinge besser werden. Unternehmer, die nur Geld verdienen im Sinn haben, sind schlechte Unternehmer. Sie verlieren die Welt, in dem sich ihr Unternehmen befindet und woher ihre Einnahmen stammen, aus den Augen.

    Solche Sachen hat er mir gesagt, damals, Anfang der 90iger, irgendwo auf Deutschlands Straßen. Erst heute wird mir klar, dass er schon damals wusste, wohin die Reise gehen würde.

    Ich glaube nicht, dass er Herr A. noch am Leben ist. Wenn doch, was ich ihm sehr wünsche würde, aber bei seinem enormen Verbrauch an Ernte 23 nicht glaube (beim Schmidt hat’s aber auch geklappt), dann ist er ein sehr alter Mann, einer aus dem Kopfschütteln vermutlich nicht mehr heraus kommt. Ich denke oft an Herr A. und daran, dass die Welt wohl besser dran wäre, würde es mehr von seinem Schlag gegeben. Ich bin ihm dankbar für das, was er mir gelehrt hat. Ich bin deshalb zwar nicht Unternehmer geworden und schon gar nicht reich (im Verhältnis zu anderen Nordeuropäern), aber er hat meinen Kompass genordet und ich bin stolz darauf, noch niemals jemanden mit miesen Geschäften abgezockt zu haben.

    Das jedenfalls, was die Energiemafiakonzerne da veranstalten hat nichts mit Kapitalismus, Unternehmertum und Geld verdienen zu tun. Das ist einfach nur mies bis dreckig, unerhört und so groß angelegt, dass es wohl ungestraft bleibt. Das war’s, was ich eigentlich sagen wollte.

    Ich wünsche Dir einen schönen Tag, mein Bester. Und danke für den guten Beitrag!

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