flachsinnige gastro-kritik

19vorweg: Joannis Malathounis ist mein freund. und mit freunden lass ich dummdödels nicht umspringen, wie sie grad wollen.

Joannis ist ein begnadeter koch. ein vielsprachiger, aufgeschlossener mensch mit enormem wissen, das weit über den tellerrand hinausreicht. seit 20 jahren betreibt er mit Anna das “Malathounis” in kernen-stetten. kritiken in einschlägigen gastro-führern sind ihnen nicht fremd. das malathounis ist nicht nur jeden besuch, sondern den marktführern seit jahren auch beurteilungen weit über dem durchschnitt wert.

“Lift”, in diesem fall das aus stuttgart, ist ein besseres anzeigenblatt hauptsächlich für den jüngeren teil der freizeitgesellschaft.

von mir behaupte ich mal forsch, dass ich von beidem was verstehe: von guter, innovativer, anarchisch-bunter, aber immer stimmiger küche. und von verantwortungsbewusstem journalismus.

lift hat jetzt, wie im vergangenen jahr, eine ab- und beurteilung der Malathounis vorgelegt. 2012 endete die besprechung mit den drei worten: “so schmeckt glück”. indes galt schon damals, was auch heuer zutrifft: ein journalistischer schuppen wie das “lift” kann gar nicht soviele kenner und versteher aufbringen, wie es bräuchte, um kulinarisches entdecken mit journalistischer grundkenntnis zu verknüpfen.

ergo kommen besprechungen raus, wie wir sie zur genüge kennen: ein paar abschriften aus der speisekarte nebst preisangaben, ein abschnitt übers ambiente mit einigen adjektiven, die wortreichtum signalisieren sollen. dazuhin was gemein-platzendes über die küche, hinter dem sich soviel sinn und information findet wie. nun ja, wie in einer seifenblase.

so weit, so unerfreulich gewohnt. aber im jüngsten gastro-umschlag hat die lifterin, die bei Joannis dinnieren und dann schreibstammeln durfte, doch aufs geschmackloseste daneben gelangt. mit folgender bemerkung:

“Das schmeckt alles definitiv nach gehobener Küche und ist für ein griechisches Restaurant höchst innovativ, keine Frage. Nur fragen wir uns: Wäre das Malathounis auch außerhalb der Kategorie “Grieche” ein so gefeiertes Restaurant?”

Immerhin eines hat die Dame, die da so originell im plural majestatis schmierfinken durfte, erkannt. Dass sich Joannis von anderen Küchen abhebt. und zwar gleichgültig, welcher philosophie sich die verschrieben haben. Dass der schreibsel-ladies horizont kaum über die topfgrenze der gewöhnlichen gyros-mit-pommes-frites-küche-und-einem-ouzo-aufs-haus hinausreicht, bewies sie mit der frage nach Joannis’ tzatziki-rezept. auf diesem niveau gibt’s durchaus auch gute häuser wie zum beispiel die taverna sympioso in waiblingen. aber das ist, völlig ohne wertung, nicht die küche des Malathounis. so wie ein französisches restaurant sich nicht zwangsweise auf mehl-verdickte zwiebelsuppe und zu kaugummi vergartes faux filet beschränken muss. indes muss das halt erst mal den eingang finden in die birne. solange das nicht der fall ist, ist gastro-kritik nicht gehaltvoller als eine steinpilz-cremesuppe von maggi.

schliesslich die passage mit “ausserhalb der kategorie grieche”. entweder ist eine küche gut oder schlecht, was mit der kategorie absolut nichts zu tun hat. ausserdem ist der kritik-erstattenden anlern-kraft damit ein satz von durchaus faschistoider grundhaltung gelungen. ersetzen wir mal küche durch bücher und grieche durch jude. das klänge ungefähr so: “sigmund freud hat gehobene bücher geschrieben. wir fragen uns nur, wäre er auch ausserhalb der kategorie jude ein so gefeierter psychoanalytiker?”

wir – also ich – wollen nicht analysieren, ob sich madame in den flachen gefilden ihres könnens bewusst ist, was sie da geschrieben hat. vermutlich weiss sie es gar nicht, was allerdings fast schlimmer wäre als schierer vorsatz.

so. damit hab ich geschrieben, was geschrieben werden muss. ich werd’s den kollegen – das wort kommt mir schwer über die tasten – auch auf ihre facebook-seite stellen. mal sehen, wie lange es drin bleibt.

egal ob und wie, es bleibt abschliessend nur noch die frage, ob lift auch ausserhalb der kategorie “flachsinn” von journalistischem taug ist.

 

 

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5 Antworten zu flachsinnige gastro-kritik

  1. Olaf sagt:

    Was viele Journalisten heutzutage nicht mehr zu verstehen scheinen, ist, dass Kritik auch einen positiven Kanon haben kann. Sie wollen überall und an jedem etwas finden, was nicht passt, damit sie von sich selbst behaupten können, kritisch und unabhängig zu sein. Einfach zu sagen, “Leute, da ist ein super Grieche, geht da mal hin!”, empfinden sie als unglaubwürdig, auch dann, wenn sie selbst davon überzeugt sind. Denn wer nur lobt ist suspekt. Er könnte befangen sein.

    Das Witzige Traurige an der ganzen Chose ist, dass nur der frei und ehrlich loben kann, der auch wirklich unabhängig ist. Und unabhängig meint hier vieles: Wird der Journalist vernünftig bezahlt und hat er Zeit für seine Recherchen? Weiß er was von seinem Handwerk, oder ist er nur eines dieser armen Schreibschweine, die für ein paar Cent Zeilen rauskloppen, bis die Gazette gefüllt ist? Steht er im Thema, oder würde er lieber in einem anderen Ressort arbeiten? Vielleicht ist die Dame vom von Lift eine gute politische Journalistin und hat vom Essen (machen) gar keinen blassen Schimmer?

    Andererseits…. Wenn sie ihren Text so zusammengekocht hat wie Du es beschreibst, also Seifenblasen-Blah-Blubb, locker-fluffig formuliert, und dabei auch noch ungewollt ihren begrenzten Horizont offenbart, dann tippe ich auf Schreibschwein. Oder Volontärin. Oder Praktikantin. Andernfalls hätte sie den Widerspruch in ihrer dämlichen Frage selbst bemerken müssen.

    Womit wir beim Blatt selbst angekommen wären. Haben die keinen Korrekturleser? Hinterfragt der Chefredakteur nicht die Texte seiner KollegInnen, schon allein der journalistischen Sorgfalt wegen? Scheinbar nicht, jedenfalls nicht richtig. Das verrät auch der nichts sagende Name, die Zielgruppe und die lokale Begrenzung des Blattes. Wenn mehr Wert auf die Form gelegt wird um eine bestimmte Zielgruppe zu erreichen und dabei die sachliche Richtigkeit vernachlässigt wird, handelt es sich nicht mehr um Journalismus. Dann ist es ein Geschäftsmodell um Geld zu verdienen.

    Das ist keine schlechte Sache, ich möchte da nicht falsch verstanden werden. Auch Zeitungen müssen und sollen Geld verdienen. Doch die Einnahmen bestehen aus zwei Währungen. Dem Euro und der Glaubwürdigkeit. Letztere ist die Härtere. Nur mit ihr verdient man auf Dauer Geld.

    Deshalb würde ich, sollte es mich jemals zu euch ins Ländle verschlagen, mein Geld zu Herr Malathounis schaffen und nicht die “Lift” kaufen. Weil Du mir den Einen empfohlen und mich vor dem Anderen gewarnt hast.

    Werbung 3.0, würde ich sagen.

    Wenn Du heute nur Zeit hast für eine Einsicht, dann sollte es diese sein …

    Wir sind keine Zuschauer oder Empfänger oder Endverbraucher oder Konsumenten.
    Wir sind Menschen – und unser Einfluß entzieht sich eurem Zugriff.

    Kommt damit klar.

    Erster Satz im 95 Thesen umfassenden Cluetrain Manifest – das hiermit jedem wärmstens anempfohlen ist.

    http://www.cluetrain.com/auf-deutsch.html

  2. Pingback: MALATHOUNIS » Blog Archive » Gastro-Kritik

  3. veit sagt:

    ich will den kommentar von lift auf facebook nicht zurückhalten:

    Lieber Herr Hoffmann, da Joannis Malathounis ein exzellenter Gastronom, aber nicht unser Freund ist, haben wir ganz objektiv seine Küche bewertet. Wir sind dabei respektvoll geblieben, was man von Ihrem Blogeintrag nicht behaupten kann. Unsere Autorin als “faschistoide Schreibsel-Lady” zu verunglimpfen, geht dann doch einen Schritt zu weit. Vielleicht sollten Sie sich in Zukunft eine andere Lektüre zulegen, eine die Ihrem intellektuellen Niveau besser entspricht als die unseres “journalistischen Schuppens”. Schöne Grüße, die LIFT-Redaktion.

    • Olaf sagt:

      Wäre sie professionell gewesen, hätte sie mit Dir auf der sachlichen Ebene diskutiert. Weil sie wusste, dass sie da keine Chance haben wird, zieht sie es vor, Dein intellektuelles Niveau zu beurteilen – und zeigt, dass sie es nicht kann, weil sie so hoch nicht kommt.

      Hast Du ihr den Link vom Cluetrain-Manifest zurück geantwortet? Aus dieser Nummer käme sie nämlich nie wieder raus. Und ihre Gazette auch nicht.

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