einmal übern markt

samstags. so zwischen neun und halb zehn. einmal übern markt. soll ja meine heimatstadt sein, die da diesen markt hält.

da ist der trottoir-verkäufer. immer freundlich. frägt auch nach, warum heute die mama nicht dabei ist und wie’s den kinderchen so geht. in letzter zeit ist er seltener da, der herr r. nicht, weil sie ihn nach wie vor bei regen nicht ins trockene unterm dach der marktgasse lassen. herr r. hat krebs. du siehst es ihm allmählich an. aber er bleibt freundlich. hält für jeden käufer ein optimistisches wort parat.

vielleicht ist er ein deutsch-russe, vielleicht auch ein roma. der junge mit der ziehharmonika. sein repertoire ist begrenzt. was manchmal nervt. er quetscht überzeugt und laut. eine halbe stunde, so sieht’s die marktordnung vor, darf er an einem platz bittbettelnd aufspielen. dann muss er den sozusagen orchestergraben wechseln. sein eher schmales repertoire nimmt er mit. wenn ich was in sein kässchen werfe, liegen da ein paar cent drin. reichen vielleicht für zwei, drei butterbrezeln. aber nächsten samstag wird er wieder da sein.

er ist immer schlechter zu fuss. muss immer häufiger seine schmerzen auf dem hocker lindern. der gemüse-verkäufer, mit dem schwer erträglichen charme, den er für ältere kundinnen bereit hält. im nebenberuf ist er kunstpfeifer. war irgendwann mal weltmeister. oder hat bei weltmeisterschaften mitgepfiffen. gelegentlich kostprobt er. vivaldi, mozart, beethoven. unüberhörbar und mit ganz viel tremolo.

es ist heiss an diesem tag auf’m markt. richtig heiss. zwei verkäuferinnen an einem  grossen gemüsestand tragen ärmellos. aber beide haben einen schal dick um den hals geschlungen. muss ich wohl noch an ein paar sommer-samstagen schlendern, um den sinn zu entdecken.

kennst langsam die gesichter. nicht nur der beschicker. auch der markt-besucher. die, die zwischen den ständen hin und her pendeln. weil dort der kopfsalat um fünf cents billiger über die auslage geht, hier aber die äpfel für 20 cents das kilo weniger im einkaufskorb enden.

manche nehmen einen vorgebundenen blumenstrauss mit. je bunt die blüten, denkst du dir, desto schief der haussegen.

einer, der dir öfters unterkam. war im gleichen laden beschäftigt und hat dich plötzlich geduzt. wirst ihn nicht mehr treffen. ist seit letzter woche tot. als nebensächlichkeit wird er vielleicht noch ein wenig weiterleben. “he, wie geht’s dir?” “ganz ordentlich. und dir? der dings ist ja auch gestorben jetzt.” “hab ich gehört. war schon länger krank wohl.”

beim metzger wächst die schlange vor der fleischtheke wie der stau an einer autobahn-baustelle. unruhe liegt in der luft. war die mit den rot-gefärbten haaren tatsächlich vor dir dran? was schnauft der hinter dir so unüberhörbar? nur weil du dir auch das dritte teil fleisch vakuumieren lässt. wenn der dir seinen korb noch einmal in die knie drückt, wirst du ihm was husten. “und jetzt noch drei lamm-lachse, bitte. auch eingeschweisst.” das lamm steht eigentlich gar nicht auf deinem speiseplan. aber das kann der schnaubende ungeduld mit seinem korb aus dem sonderangebot bei aldi ja nicht wissen.

ich liebe den markt. hinter der dunkelsten aller sonnenbrillen versteckt, lässt sich soviel lernen. über die spielarten des lebens.

 

 

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