internet – mal wieder nicht mehr meiner meinung

Hab ich kürzlich, sinngemäss, geschrieben: wer ein flugzeug besteigt, muss damit rechnen, dass er als zerfetztes opfer einer katastrophe runterkommt. Wer auto fährt, sollte dies im bewusstsein tun, dass er seine letzte fahrt im leichenwagen antritt. Und wer das atom von der kette lässt, darf das nur tun, wenn er atomare waffen und/oder den super-gau im akw nicht ausschliesst.

Warum also klagen, setzte ich darob zum grossen gedanken-schinger an, wenn das internet dazu benutzt wird, dich und mich auszuspähen. Weil das internet eben nicht nur der wissensvernehmung und kontakt-börserei dient, sondern auch den halunken, die wissen wollen, mit wem ich worüber und wie kommuniziere; an welcher stelle ich staatsfeindlich agiere und bei welchem tandler ich neue erotische unterwäsche bestelle. Selber schuld, argumentierte ich,  du wolltest das interet und jetzt hast du es. Mit all seinen legalen und illegalen, moralischen und unmoralischen, selbständigen und erzwungenen möglichkeiten.

Uli f. aus B. hat jetzt einen beitrag ähnlichen inhalts gepostet und mir damit zu denken gegeben. Was er übrigens oft und gründlich tut. Aug in aug ebenso wie chat in chat. Allerdings: am ende der geistigen berg- und talfahrt (ich neige zu talfahrten) stand eine wende: ich bin nicht mehr seiner und damit auch nicht mehr meiner meinung.

Und das kommt so: in nazi-deutschland gab es die blockwarte. In der ddr die informellen mitarbeiter. Zum beispiel. Und – zum glück – gibt es keinen be-merkenswerten menschen der diese form folgenschwerer spitzelei abtut mit den worten: hättest halt nichts sagen sollen, was die prompt aufnotieren und strafverfolgen. Bei gehaltenem maul wären blockwarte und IM völlig harmlos geblieben. Dir gegenüber.

So. wenn eine derartige argumentation zurecht als hirngeschissen abgetan werden muss, dann müssen wir uns auch drum kümmern, dass die elektronischen warte und informellen uns nicht übers netz ausgucken. Es kann doch einfach nicht sein, dass wir auf methoden aus der grauzone oder tatsächlich illegale und kriminelle schnüffeleien reagieren, indem wir die fühler einziehen.

Es kann doch nicht sein, dass wir uns selbst – in unseren ideen, phantasien, briefen, im schlendern auf den einkaufsmeilen des netzes oder beim besuch in den sogenannt sozialen netzwerken – zurücknehmen. Um nicht unangenehm aufzufallen. Was passiert denn, wenn wir uns in vorauseilender vorsicht selbst den mund verbieten. Wenn wir nur noch denken, wo wir zuvor gesprochen oder gar gehandelt haben. Wenn wir aus ungesundem misstrauen unserem elektronischen gegenüber nicht mehr alles schreiben, was wir gerne schreiben würden. „der feind hört mit“ haben die nazis in der wochenschau gewarnt und auch mit dem tode die bestraft, die bbc hörten.

Nein. Es darf nicht sein, dass wir uns selbst zurücknehmen, weil wir nicht wissen, aber ahnen und fürchten, wer mithört, -liest, schreibt-, speichert. Gleichwohl ob dem wirtschaftliche, politische, religiöse oder welche gründe auch immer zu grunde liegen. Weil dann das internet nur der anfang wäre. Irgendwann verbergen wir den theater-besuch, stehen nicht mehr zu den büchern, die wir lesen, vertuschen vielleicht gar den besuch im gotteshaus. Wir passen uns an, lassen uns zum menschenbrei rühren.

Ich hatte mal eine freund, der aus sicht der trenchcoat-schnüffler kein guter freund war. Weswegen ich zu einem nümmerchen in den akten des verfassungsschutzes wurde. Was ich erst später und zufällig mitbekommen hatte. Woher eine horde nazis, die sich weiland als „republikaner“ tarnten, das wussten – ich kann es nur vermuten. Hätte ich dem freund die freundschaft aufkündigen sollen, um nicht als sympathisant notiert zu werden?

Das alles, wie erwähnt, hab ich mir so zusammengedacht und –gereimt. Deswegen mach ich mir keine spasseken mehr auf die gesichtslosen blockwarte und informellen mitarbeiter des internets. Ich hoffe, genügend charakter zu besitzen, um mich nicht mundtot machen zu lassen. So wie ich hoffe, dass wir ausgespähten letztendlich am längeren heben sitzen als die ausspäher. Auch wenn diese hoffnung zugegebenermassen klein ausfällt.

Dieser Beitrag wurde unter computer, faschismus, gesellschaft, nazis, politik, wirtschaft abgelegt und mit , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert