patriotische Europäer und anderer Quatsch

Patriot. Ein Mensch, der seine Nation liebt.

Europa. Geografisch gesehen ein Kontinent. Politisch gesehen eine Vereinigung verschiedener Nationen.

Abendland. Vor allem kulturelle Zusammenfassung der Nationen, die dem Sonnenuntergang am nächsten liegen.

Damit, Sie ahnen es bereits, nähern wir uns an: „Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlands“. Pediga.

Vorausgesetzt, gegen die einführende Definition der Begriffe Patriot und Europa ist nichts einzuwenden, muss der geneigten Leserschaft ein Licht oder auch eine Sonne aufgehen: ein „patriotischer Europäer“ macht ungefähr so viel Sinn wie ein „rassenreiner Mischling“.

Haufen dieser rassenreinen Mischlinge horten sich zusammen, um das Abendland vor Islamisierung zu schützen. Also Deutschland, aber auch Frankreich, Italien, Griechenland, Spanien. Möglicherweise sogar Österreich.

Indes: Wenn die Montags-Krakeler richtig rüberkommen, geht’s ihnen nicht wider die Islamisierung des Abendlands, sondern darum, Menschen islamischen Glaubens aus Sachsen rauszukicken. Oder aus Nordrhein-Westfalen. Vielleicht aus Niedersachsen ebenso.

Wenn dem so ist, dann handelt es sich – falls überhaupt – um lokalpatriotische Europäer. Und damit um einen noch größeren Widersinn.

Es braucht keine abendländische Leuchte, um festzustellen, dass sich hinter dem Nullum „patriotische Europäer“ weder das eine noch der andere versteckt. Sondern – und das ist gewisslich nichts Neues – nur die schiere Fremdenfeindlichkeit (um Kampfbegriffe wie Rassismus und Faschismus mal in der Hinterhand zu halten).

Beim wie meist überforderten Günter Jauch hat der CDU-Politiker Jens Spahn die Seinen und Seinesgleichen aufgefordert, „erst mal zuzuhören“. Klingt gut. Ist aber quatsch. Was Pediga und Konsorten zu sagen haben, hat jeder schon gehört, der zu hören bereit ist: „Ausländer raus.“

Und was aus diesen zwei Worten werden kann, wenn die Politik zu lange weg-, Entschuldigung: zu lange zuhört, haben wir auch schon gesehen: Als Afrikaner, Vietnamesen und Türken verprügelt, verbrannt, ermordet wurden. Und das übrigens nicht, weil sie keine Europäer waren. Waren sogar Deutsche unter den Opfern. Halt nicht deutsch genug.

Bleibt noch das Totschlag-Wort „Islamisierung“. Christliche Missionierer klingeln gelegentlich an meiner Tür. (Als ich einmal sagte, sie störten mich beim Liebe-Machen, sind sie gegangen. Ein andermal, als ich gerade Geschirr spülte, haben sie geholfen.) In der Waiblinger Talaue, die ich (als Lokalpatriot) gerne begehe, fragte jüngst ein Mann, wo er wohl zu innerer Einkehrer finden könne. Ich empfahl ihm ein stilles Parkbänkchen, er wollte mich verbibelisieren. In Stuttgart schwadronieren dir gerne auch mal Scientologen über den Weg. Aber noch nie in meinen 57 abendländischen Jahren wollte mich jemand zu Allah bekehren. Übrigens auch nicht im europäischen Ausland. Ich kann also beim besten Willen nicht sagen, was das sein soll: Islamisierung.

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2 Antworten zu patriotische Europäer und anderer Quatsch

  1. Michael sagt:

    Beim Geschirrspülen geholfen? Echt? Mist. Ich habe die immer nur rausgeworfen – dabei hätte ich die mit etwas Phantasie zum Umgraben / Rasenmähen / Steine klopfen oder andere die Seele läuternde Schwerarbeiten bringen können…. Oh Mann, die verschwendeten Gelegenheiten!

    Zum Thema: ja, die latente Ausländerfeindlichkeit ist aktuell wirklich heftig übel. in den Foren meiner regionalen Zeitung wird regelmäßig Hetze verbreitet, über “Islambonus”, “Kulturbereicherer” etc, zum Teil sogar mit den gar nicht mehr dezenten Unterscheidungen von “diese Rasse” und ähnlichem. Schreibt man was dagegen ist man automatisch linker Gutmenschen-Naivling, und dagegen sagen sie ja nur was alle wüssten aber keiner sagen dürfe (über die Ironie, dass sie sich in öffentlichen Foren über die fiese Unterdrückung Ihrer Meinungsfreiheit auslassen können, stolpern dabei die wenigsten). Als Beleg dient praktisch immer ein “wie jederman weiß”… Gelöscht werden nur die übelsten Ausfälle – und meist nur nach Aufforderung.

  2. Michael sagt:

    http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-12/islam-pegida-fluechtlinge-deutschland-umfrage

    Fast die HÄLFTE der Deutschen hat “Verständnis” für Hetze und Ausländerfeindlichkeit – wenn auch gut getarnt hinter der Islam-Terrorismus-Angstmacherei. Ist unsere Zivilisationsdecke nach fast 70 Jahren schon wieder so dünn?

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