von 2114 aus gesehen

Wir schreiben das jahr 2114. Und blicken hundert jahre zurück. Als die menschen dem heiligen mammon huldigten und diese religion „globalisierung“ nannten. Wer die beim anderen namen beklagte – kapitalismus – und darin ein werk des teufels erkannte, wurde als links beschimpft. Real praktizierende linke hatten linke ideen in den generationen zuvor verraten und missbraucht. Der einfachheit halber und weil der mensch einen sündenbock zum atmen braucht, wurden linke mit linken in einen sack gesteckt.

Da gab’s indes auch die inquisatoren, die im namen ihres gottes töteten. Ein gott, den sie nach ihrem bilde schufen. Sie wüteten mit waffen, die sie auf verschlungenen wegen von denjenigen bezogen, die ein goldenes kalb als ihren gott verehrten. Diese jünger waren so reich, dass sie sich jederzeit saubere hände und weisse kragen zu kaufen vermochten. Die übrigen götter, zum beispiel der mit dem sieben-tages-werk, lagen im tiefschlaf.

Eine neue zeit, hatten sich die menschen 14 jahre zuvor mit zitternder stimme versprochen, sei angebrochen. Die zeit des friedens. Zweimal sieben jahre später waren der kriege mehr geworden. Mehr an zahl und weniger kontrollierbar an qualität. Und so geschah’s, dass sich fundamentalisten mit kapitalisten verbündeten, dass verehrer der strafenden götter zum gegenseitigen frommen mit den verehrern der geldsegnenden gottheiten bündnisse eingingen. So, als ehelichte ein katholischer bischof eine gut verdienende domina.

Seltsamst fügten sich allianzen. Und auf zeit. Der feind von gestern ward zum freund von heute, der gegner aktuell war vor wenig zeit noch der waffenbruder in fleisch und blut. Und weil keiner sich sicher glaubte der verbrüderungen und anfeindungen, drängte sich allermensch am abgrund. Als wären lemminge ein ausbund an lebensfreude.

Gründlichkeit galt den machthabenden als so beschriebene primär-tugend. Weswegen der mensch dem menschen nicht nur ein mörder war, sondern auch ein zerstörer. Sich selbst grub er gräber, in denen er lebensnotwendiges wie luft und wasser bestattete. Ohne aussicht auf wiederbelebung. Beschleunigende unterstützung leisteten epidemien, gegen die ein kraut nicht gewachsen war. Allerdings hielten es nur paranoide verschwörungstheoretiker für denkbar, dass die krankheitserreger in militärischen labors gezüchtet worden waren.

„Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken.“
(karl kraus)

Blass und gläsern begegneten sich die bürger. Jederzeit ausspähbar. Auf den plätzen und strassen der städte ebenso wie an den verschiedensten technischen geräten. Die erlaubten die überwachung der menschen sowohl als auch die bereicherung der mächtigen. Sklaven gleich hingen generationen an unsichtbaren ketten. Wer sie beim namen nannte oder gar zu lösen versuchte, ward bestraft oder wurde in die flucht geschlagen.

Volksvertreter hiessen volksvertreter, weil sie das volk mit füssen traten. Dabei hingen auch sie am gängelband der aktienkurse. Satt und vollgestopft spielten sie demokratie. Jederzeit bereit, ihr fähnchen bussfertig am wind auszurichten, den die marionetten des kapitals in ihren chefetagen entfachten.

„Wir alle, hoffen wir nicht, im kopfe irgendeines staatsmannes einen strohhalm zu finden, an den wir uns klammern können.“ (wolfgang neuss)

Andernorts gab’s nicht mal ansatzweise funktionierende volksvertretung. Aber öl, edelsteine, gold oder eisenerze. Da sahen die vermeintlich aufgeklärten humanisten der westlichen nationen grosszügig darüber hinweg, dass in solchen staaten köpfe fielen wie anderswo reifes obst vom baum. Auch gottgefällig mit steinen durften ungläubige und zuwiderhandler alldorten zu tode geworfen werden. Von denen, die sich kultur und zivilisation verschrieben wähnten, gnädig mit schweigen bedeckt.

Und so begab es sich, dass die schwachen immer mehr an zahl und immer geringer an bedeutung wurden. Zur gleichen zeit wuchs die gier der reichen. Solange, bis sie in ihren eigenen imperien bei bestem willen keinen und nichts mehr fanden der und das der ausbeutung wert war. Und wo sie sich die gierigen mit den anderen fressteufeln bis dahin allenfalls mal scharmützelt hatten, gingen sie jetzt aufs ganze. Symbolträchtig am 1. September 2039 erklärte die welt der welt den krieg. Als fortsetzung der zerstörung mit allen mitteln.

Der planet überlebte mit ach und krach. Und jetzt, da wir 2114 schreiben, haben es die überlebenden sich gemütlich gemacht. In atomaren fasskellern wie – zum beispiel – dem in gorleben. Das, was weiland deutschland war, passt dort leicht hinein.

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