jedes jahr am 20. juli

jedes jahr am 20. juli, wenn ich auf nachrichten schalte, sehe ich vertreter unserer krampfhaft entnazifizierten republik. sie legen blumengebinde an der gedenkstätte für graf von stauffenberg und seine kameraden nieder. oberst von stauffenberg und die mit-verschwörer aus der wehrmacht hatten vergeblich versucht, adolf hitler zu töten. stauffenberg war kein demokrat. wäre das attentat geglückt, hätte er eine militärregierung gebildet.

jedes jahr am 20. juli denke ich an die geschwister scholl und ihre freunde. an hans litten. an georg elser.

sophie und hans scholl, ihre verwandten und freunde nannten sich die weiße rose. allesamt gläubige christen und überzeugte pazifisten, verteilten sie flugblätter, forderten das ende des kriegs und der nazi-diktatur.

hans litten war ein jüdischer rechtsanwalt mit sympathien für die kommunisten. 1931 gab er vor einem gericht, das die anklage gegen ein rollkommando der sa verhandelte, den zeugen adolf hitler der lächerlichkeit und unglaubwürdigkeit preis.

georg elser, der einfache schreinermeister aus dem schwäbischen. auch er hatte gefallen an kommunistischen ideen gefunden. zwei monate nach beginn der zweiten unfassbar grossen massenschlacht des 20. jahrhunderts legte elser eine bombe im keller des münchner hofbräuhauses. der führer hatte sich zur kundgebung angesagt. früher als vorgesehen verliessen hitler und seine schranzen den saal. die bombe, die 13 minuten später explodierte, hätte mit grosser sicherheit ihre verdienten opfer gefunden.

sophie und hans scholl wurden von einem hausmeister denunziert. noch am selben tag endete ihr leben unter einem der nationalsozialistischen fallbeile.

hans litten wurde unmittelbar nach dem reichtagsbrand in “schutzhaft” genommen. fünf jahre währte seine odyssee durch verschiedene konzentrationslager. folterknechte der braunen machthaber als ständige begleiter. 1938 bereitete litten in dachau seinem leben selbst ein ende.

georg elser wurde nach seiner flucht aus münchen von den häschern der diktatur an der grenze zur schweiz gestellt. auch für ihn gehörten von nun an kz und folter zum alltag. wenige wochen vor kriegsende wurde elser ermordet. führerbefehl.

gläubige christen und pazifisten, ein jüdischer, linksgerichteter strafverteidiger, ein einzelgängerischer handwerker. alle träumten nach ihrer facon von einem demokratischen deutschland. alle bezahlten sie ihre träume mit dem leben.

wenn ich nachher in die tagesschau oder in die heute-sendung klicke, werde ich sie wiedersehen. die kränze für stauffenberg und seine mitverschwörer. die keine demokraten waren.

wann hast du zuletzt in den nachrichten von den scholls, dem litten, dem elser gehört? nun ja. überzeugte christen und pazifisten, linke rechtsanwälte und rote handwerker sind auch heute, in der nicht mehr ganz jungen deutschen demokratie, eher wenig gesellschaftsfähig.

an jedem 20. juli erscheint mir ein christlich-pazifistisches geschwisterpaar. ohne köpfe. ich sehe einen jüdischen rechtsanwalt. sein geschundener körper mit dem zerschlagenen gesicht, dem zahnlosen mund, hängt in einer schlinge. er hat sie selbst aus einem handtuch geknüpft. und dann steht da auf dem gruppenbild der vergessenen der links-verdächtige schreiner. aus den einschusslöchern spritzt blut, strömt leben.

an jedem 20. juli nehme ich mir vor, öfter an sie zu denken. an sophie, hans, hans und georg. aber schon morgen habe ich das wieder vergessen.

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1 Antwort zu jedes jahr am 20. juli

  1. Elke zondler sagt:

    Doch,
    Ich und sicher einige andere noch wissen von den scholls… Und bewundern haltung und kosequenz…
    Von Litten hab ich zugegebenermaßen fast nie was gehört.
    Georg elser ist mein held, ein einfacher mensch mit kämpferherz und enormem mut, tat das, was aus seiner sicht getan werden musste, eine fast singuläre erscheinung, einzelgänger, der sich nicht mit fisimatenten abgab wie die verschwurbelten aus dem george- kreis.
    Dennoch sei auch ihnen, den kopflastigen und eidgebundenen, unser respekt sicher, denn sie taten etwas schwieriges, sich von der eigenen klasse entfernen und in einer aufwallung von urtümlich ritterlicher manier, hier der romantik nahe, sich dem als feind erkannten entgegenstellen , damit die privilegien aufgebend und auch ihre familien gefährdend…. Sie alle, da würde ich nicht trennen, taten etwas außergewöhnliches, in ihrer art heldenhaftes zu einer zeit, da eh vieles schon zu spät war…..

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