interessant sind nur die toten

mindestens 82 ertrunkene menschen vor lampedusa. in den vergangenen 25 jahren, so die vereinten nationen, waren es insgesamt 19.000 menschen, die auf der flucht starben. das entspricht einer bundesdeutschen kleinstadt. oder 28 ausverkauften vorstellungen im stuttgarter schauspielhaus. auch fussball-stadien gibt’s, in die 19.000 menschen gar nicht reinpassen.

die ertrunkenen menschen sind geflohen. aus somalia, sagt eine quelle, aus eritrea eine andere. in ägypten, möglicherweise auch syrien schifften sie ein. die lebensgefährliche überfahrt auf dem mittelmeer – allemal besser als die not zuhause.

solange alles gut geht, solange die flüchtlinge europa erreichen, hören wir nichts von ihnen. wir wissen nicht, ob sie bleiben dürfen oder zurückgeschickt werden. wir wissen nicht, wieviele von ihnen in lager gepfercht werden. wir wissen nicht, was das schicksal für sie bereit hält in ihrer verzweiflung: kriminalität, prostitution, menschenhandel. für die, die überlebt haben auf der flucht, hält die realität im humanistischen abendland meistens nur neue not bereit. und niemand fragt, wie es zu all dem kam.

ab und an, eigentlich eher häufig, versaufen diese menschenkinder auf der letzten etappe ihrer reisen. wieviele zuvor in den kriegsgebieten, durch die ihre fluchtwege führen, ihr leben gelassen haben, wieviele  unterwegs bereits an krankheiten, hunger oder durst gestorben sind – wen interessiert’s? anderer kontinent, falscher acker.

in die nachrichten schaffen es nur die, die auf dem mittelmeer zu grunde gehen. am besten kurz vor der rettenden insel. und je mehr tote desto schlagzeil. was diese menschen flüchten liess, was aus den überlebenden wird – das juckt schon niemand mehr. in eine überschrift passt das eh nicht rein. ausserdem: morgen ist das vergessen. da haben wir das bus-unglück mit lauter deutschen touristen, den flugzeug-absturz ohne überlebende, den  vater, der erst seine kinder, dann seine frau und schliesslich sich selbst tötet. gern genommen auch der tote säugling in der gefrier-truhe.

und kurz vor der tagesschau, beim lebensmittel-wissenschaftlich ausgewogenen abendessen, hast du so ein komisches gefühl. ein bisschen so wie schlechtes gewissen. iss mal ruhig weiter. spätestens beim wetter verliert sich das. empirische untersuchungen ergaben, dass der durchschnitts-deutsche sich darüber besonders und ehrlich ereifern kann.

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